Beleidigung („Dreckstück“) auf Video festgehalten – fristlose Vermieterkündigung zulässig?

    Ton- und Videoaufnahmen, denen nicht von den Beteiligten zugestimmt wurde, beschäftigen immer wieder die Gerichte. So auch in einem Fall, den das Amtsgericht Bottrop zu entscheiden hatte.

    Die Vorinstanz hatte die Klage abgewiesen. Das BGH hob das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht. Es stellte klar, dass der Vermieter Schadensersatz für unterlassene Schönheitsreparaturen und nicht entfernte Bodenbeläge und Fliesen gemäß §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen kann. Für Schäden im Treppenhaus besteht zudem ein Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB.

    Das war der Sachverhalt

    Vermieter hatten gegenüber einem Mieterehepaar die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt. Grund war ein Vorfall, bei dem das Mieterehepaar die Vermieter beleidigt und beschimpft hatte. Da die Mieter nicht freiwillig auszogen, reichten die Vermieter eine Räumungsklage ein.

    Die Mieter bestritten den Vorwurf. Doch die Vermieter hatten den Vorfall auf Video festgehalten. Sie legten dem Gericht diesen als Beweismittel vor. Die Mieter hatten der Anfertigung von Ton- und Videoaufnahmen während des Vorfalls aber nicht zugestimmt – sie wussten nichts davon. Nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen (§4 Bundesdatenschutzgesetz) ist eine solche Aufzeichnung aber unzulässig.

    Das Amtsgericht Bottrop entschied im Mai 2023 gleichwohl, dass Ton- und Videoaufnahmen als Beweismittel für die Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung zulässig seien, zumindest in diesem Fall.
    Das war der Besonderheit des Sachverhalts geschuldet:

     

    Kein Gespräch „unter vier Augen“

    Das Gericht war der Auffassung, dass hier nicht ein privates Gespräch „unter vier Augen“ geführt wurde. Es erfolgte nämlich durch ein geöffnetes Fenster und war somit nicht von einem kleinen Kreis von Zuhörern wahrnehmbar. Wegen der Lautstärke konnten auch unbeteiligte Nachbarn und Passanten die Beleidigungen hören.

    Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hielt das Gericht die in diesem Fall Verwertung der Ton- und Videoaufnahmen für zulässig.

     

    Kein Beweisverwertungsverbot

    Aus den Ton- und Videoaufnahmen ergab sich, dass die Vermieter sich Beschimpfungen wie „Dreckstück“ anhören mussten und bedroht wurden. Zwar hatten die Mieter der Anfertigung der Aufnahmen nicht ausdrücklich zugestimmt. Die Aufnahmen erfolgten jedoch zum einen nicht heimlich. Zum anderen führt, so das Gericht, die Unzulässigkeit bzw. Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot.

    Die Zivilprozessordnung (ZPO) kennt selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein ausdrückliches prozessuales Verwendungs- oder Verwertungsverbot. Ob ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mieter durch die Verwertung der Beweismittel gerechtfertigt war, ergab sich aus einer Abwägung zwischen deren allgemeinen Persönlichkeitsrecht und den rechtlich geschützten Interessen der Vermieter.

    Um die Wahrheit zu ermitteln, sind Gerichte grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen. Dies gebieten der in § 286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Aus ihnen folgt die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen.

    Das AG Bottrop entschied deshalb zu Gunsten der Vermieter, dass diesen gegen die Mieter ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der angemieteten Wohnung gemäß § 546 Abs. 1 BGB zustand.

    Gemäß § 543 Abs. 1 BGB kann ein Vermieter ein Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Vermieter unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. So lag der Fall hier.

    Die Kündigung war daher begründet.
    (AG Bottrop, Urteil v. 17.05.23, Az. 11 C 264/22).

    Das ganze Urteil finden Sie hier.

     

     

     

    Was sagt der Experte?

    Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:

     

    Die Beklagten beriefen sich zur ihrer Verteidigung auf das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).

     

    Was bezweckt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)?

    Zweck dieses Gesetzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.

     

    Videoaufzeichnung unzulässig

    Unstreitig ist hier:
    Die von den Vermietern vorgelegte Videoaufzeichnung war nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig. Sie verstieß gegen § 4 BDSG, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt war.

     

    Aber: Unzulässigkeit führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

    Die Unzulässigkeit bzw. Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung durch nicht genehmigte Ton- und Bildaufnahmen führt jedoch nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot.

    Die Zivilprozessordnung kennt selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein ausdrückliches – prozessuales Verwendungs- oder Verwertungsverbot.

     

    Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Recht auf informelle Selbstbestimmung

    Ob ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners durch die Verwertung von Beweismitteln gerechtfertigt ist, richtet sich deshalb nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen dem gegen die Verwertung streitenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht, hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung, auf der einen und den für die Verwertung sprechenden rechtlich geschützten Interessen auf der anderen Seite.

    Allein das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reichen jedoch nicht, um im Rahmen der Abwägung von einem höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem Recht am gesprochenen Wort zukommt. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist.

     

    Anspruch auf rechtliches Gehör überwiegt

    Über die Frage der Verwertbarkeit war deshalb aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden. Die Abwägung zwischen dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ggf. als Recht am eigenen Bild andererseits führte zu einem Überwiegen der Interessen der Kläger.

     

    Unverzichtbar: Rat des Haus & Grund Anwalts

    Das Installieren einer Videokamera oder eines Tonaufnahmegeräts ist in rechtlicher Hinsicht hinsichtlich der Verwendbarkeit der gewonnenen Daten in einem späteren Prozess immer mit einer Unwägbarkeit verbunden. Es sollte vorher unbedingt der Rat des Haus & Grund Fachanwalts eingeholt werden.

    Fachanwalt Wolfgang Reineke