Wann ist eine Überwachungskamera zulässig? – Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 16.10.2020

    Persönlichkeitsrecht Dritter achten!

    Die Videoüberwachung von Nachbargrundstücken und Hauseingängen hat die Justiz schon seit längerer Zeit immer wieder beschäftigt. Die Gerichte sagen:

    Grundsätzlich ist es erlaubt, das eigene Einfamilienhaus und Grundstück mit Kameras zu überwachen, z.B. aus Sicherheitsgründen oder zum Sammeln von Beweisen, wenn man schon einmal selbst von Diebstahl oder Sachbeschädigung betroffen war. Aber es ist Vorsicht geboten, denn eine falsch installierte Videoüberwachung kann auch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter eingreifen.

     

    Richtig installieren!

    Bei der Installation von Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück dürfen weder der angrenzende öffentliche Bereich noch die Nachbargrundstücke von den Kameras erfasst werden. Das gilt übrigens auch für Attrappen. Denn auch von Attrappen kann bei Passanten oder Nachbarn der Eindruck hervorgerufen werden, dass sie tatsächlich überwacht werden. Dieser „Überwachungsdruck“ ist jedoch unzulässig. Sollten dennoch Personen, zum Beispiel auf dem Nachbargrundstück oder einem öffentlichen Gehweg, aufgenommen werden, kann vom Betroffenen auf Unterlassen, Schadensersatz sowie Schmerzensgeld geklagt werden. Und auch die Verwaltung kann ein Bußgeld festlegen und fordern, die Kamera wieder abzubauen.

     

    Wie lag der Fall, den das Landgericht Frankenthal zu entscheiden hatte?

    Zwischen Nachbarn aus dem Landkreis Bad Dürkheim bestand seit vielen Jahren ein erbitterter Streit. Weil einer der beiden das unbefugte Betreten seines Grundstücks befürchtete, befestigte er eine Videokamera an seiner Giebelwand. Dies wollten seine Kontrahenten nicht akzeptieren. Sie befürchteten eine Verletzung ihrer Privatsphäre. Das in erster Instanz angerufene Amtsgericht Neustadt a. d. Weinstraße bestätigte ihre Ansicht und untersagte die Montage der Kameras.

    Die Argumentation des Gerichts: Eine an einer Hauswand installierte Videokamera kann dazu führen, dass das Persönlichkeitsrecht der Nachbarn verletzt ist. Dies entschied dann auch die Berufungskammer des Landgerichts Frankenthal.

     

    Beeinträchtigung durch „Überwachungsdruck“

    Dabei genügt nach Auffassung der Kammer bereits die Möglichkeit, dass die Kamera auch Bereiche des Nachbargrundstücks erfasst. Denn allein dadurch, dass das Gerät vorhanden ist, könne ein „Überwachungsdruck“ und damit eine Beeinträchtigung der Nachbarn entstehen. In einer solchen Situation müsse die Kamera am Nachbarhaus wieder entfernt werden, so die Kammer.

    Die Kammer hat in der Entscheidung deutlich gemacht, dass die Überwachung durch eine Kamera nur zulässig ist, wenn sie auf das eigene Grundstück beschränkt ist. Eine Videoanlage, die eine Einsicht in das Grundstück der Nachbarn ermöglicht, ist unzulässig, denn sie verletzt deren verfassungsrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht.

    Obwohl sich im konkreten Fall vor Gericht nicht sicher nachweisen ließ, dass die Überwachungsanlage tatsächlich auch auf das Nachbargrundstück ausgerichtet war, hielt die Kammer an dieser Auffassung fest. Hierbei stellte sie maßgeblich darauf ab, dass es ohne großen Aufwand möglich gewesen sei, die Blickwinkel in Richtung des Nachbargrundstücks zu lenken und dieses zu überwachen. Schließlich seien die Parteien bereits seit Jahrzehnten zerstritten und die Überwachungsanlage sollte gerade „vor den Nachbarn schützen“.

    Einen solchen Überwachungsdruck müssten die Nachbarn nicht hinnehmen. Sie können nach dem Urteil nun auch verlangen, dass solche Kameras in der Zukunft nicht mehr installiert werden.

    Nachdem die Kammer die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen hat, ist die Entscheidung rechtskräftig.

    Verfahrensgang:
    AG Neustadt, Urteil vom 17.07.2017, Az. 4 C 3/17
    LG Frankenthal, Urteil vom 16.12.2020, Az. 2 S 195/19

    Das ganze Urteil gibt es hier zu lesen.

     

    Fall des Landgerichts Hamburg

    Auch das Landgericht Hamburg (LG Hamburg Az. 306 O 95/18) hatte über einen solchen Fall zu entscheiden. Ein Hausbesitzer klagte auf Entfernung dreier Videokameras auf dem Nachbargrundstück. Diese waren teilweise auf dem öffentlichen Gehweg, aber teilweise auch auf das Grundstück des Klägers gerichtet. Das Landgericht verurteilte den Nachbar dazu, dass die Kameras ausschließlich auf sein Grundstück gerichtet sein dürfen. Denn eine Videoüberwachung greife grundsätzlich in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein.

     

     

    Was sagt der Experte?

    Fragen an den Fachanwalt Wolfgang Reineke:

     

     

    Wie ist es im Fall eines Mehrfamilienhauses oder einer Wohnanlage?

    Auch Vermieter von Mehrfamilienhäusern denken aufgrund der immer häufiger vorkommenden Beschädigungen durch Vandalismus in Treppenhäusern, Fluren, Aufzügen, Gärten und Zugangswegen darüber nach, Videokameras aufzustellen, mit denen potentielle Täter abgeschreckt, zumindest aber verunsichert werden sollen. Doch Vorsicht – auch hier geht es um die Persönlichkeitsrechte der Mieter und anderer Dritter. Bevor Sie also in eine teure Videoanlage investieren, sollten Sie sich grundlegend informieren, was erlaubt ist und was nicht.

    Alle Mieter bzw. Eigentümer müssen zustimmen!

    In einem Mietshaus oder einer Wohnanlage ist es nämlich erforderlich, dass sämtliche Mieter bzw. Eigentümer der Überwachung des Hauseingangs zustimmen. Das gilt im Übrigen auch für künftige Mieter! Daher dürfen weder Vermieter oder andere Eigentümer ohne diese Zustimmung die Überwachung des Hauseingangs oder anderer gemeinsamer Bereiche mittels einer Kamera vornehmen und z.B. aufnehmen, wer die Wohnanlage betritt und wieder verlässt. Wenn überhaupt eine solche Kamera eingesetzt wird, darf sie nur innerhalb des Sondereigentums Aufzeichnungen machen. Liegt diese Zustimmung nicht vor, dann können die anderen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf Entfernung klagen. Außerhalb der Wohnung sind solche Aufzeichnungen also unzulässig. Diese Erfahrung musste auch ein Wohnungseigentümer machen, der einen Türspion mit integrierter Videokamera in seine Wohnungseingangstür eingebaut hatte (AG Bergisch Gladbach, Urteil v. 03.09.15, Az. 70 C 17/15).

    Und was ist mit einer Attrappe?

    Ob eine funktionstüchtige Kamera eingesetzt wird oder nur eine Attrappe ist, das ist für die Gerichte bedeutungslos. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass ein Mieter auch dann einen Unterlassungsanspruch durchsetzen kann, wenn nicht erkennbar ist, ob die verwendete Kamera echt oder lediglich eine Attrappe ist, weil in jedem Fall ein „belastender Überwachungsdruck“ vorliegt. Nach Ansicht des Gerichts war es zur Sicherung der persönlichen Interessen des Vermieters in dem genannten Fall auch ausreichend, eine Kamera zu installieren, die nur den Teil des Grundstücks mit den gelagerten Materialien überwacht. Gegen den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch konnte der Vermieter auch nicht einwenden, dass die Kamera bereits bei Einzug des Mieters vorhanden war. Der Vermieter hätte den Mieter über die Überwachung aufklären und dessen Zustimmung einholen müssen.

    Hinweis: Als Vermieter kann man den von der Rechtsprechung bei Installation einer Kamera unterstellten „Überwachungsdruck für Mieter“ dadurch umgehen, dass man zur Abschreckung lediglich Kamera-Attrappen installieren lässt und dies gegenüber dem Mieter erklärt und nachweist. (AG Detmold, Urteil v. 01.03.18, Az. 7 C 429/17).

    Videokamera in der Türsprechanlage?

    Häufig wird bei größeren Gebäuden eine Kamera in der Klingel- und Türsprechanlage eingebaut. Dies ist aber auch nur unter ganz bestimmten Regeln erlaubt. Um keine Probleme mit den Mietern oder anderen Personen zu bekommen, muss die Anlage so installiert werden, dass tatsächlich nur der Nutzer der Wohnung ein Bild von der Kamera erhält, dessen Klingel betätigt wurde. Vereinfacht ausgedrückt, darf die Kamera nicht mehr bieten, als ein Türspion an gleicher Stelle. Das beinhaltet auch, dass der zu sehende Bildausschnitt nicht zu weit reichen darf.

    Was bedeutet das alles?

    Auch wenn der Wunsch nach dem Installieren von Videokameras unter Sicherungsgesichtspunkten absolut nachvollziehbar ist, kann man ihn in einer Mehrfamilienhausanlage eigentlich nicht verwirklichen. Sobald Aufnahmen im Bereich des Gemeinschaftseigentums erfolgen, ist das Persönlichkeitsrecht anderer tangiert. Und das hat Vorrang vor Sicherheit.

    Zusätzliche Sicherheitsschlösser

    Wer bei der Sicherheit aufrüsten will, der sollte sich eher dafür entscheiden, die Fenster und Türen der in Frage stehenden Räumlichkeit durch zusätzliche Sicherheitsschlösser abzusichern. Für solche Sicherungsmaßnahmen benötigt man nur einen Beschluss mit einfacher Mehrheit.

    Fazit

    Wie geschildert, ist es sehr problematisch, eine Videoüberwachung zu installieren, ohne dabei in rechtliche Fallstricke zu geraten. Darum sollte auf jeden Fall die Einwilligung aller Mieter eingeholt werden. Diese Einwilligung sollte schriftlich dokumentiert werden, um die Zustimmung bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch beweisen zu können. In der Vereinbarung sollten Sie auch ein Widerrufsrecht für den Mieter eingeräumt, andernfalls man Gefahr läuft, dass die Erklärung vor Gericht nicht anerkannt wird.

    Umfang und Inhalt einer solchen Vereinbarung muss auf den Einzelfall abgestellt werden und sollte nicht ohne Hilfe eines Fachmanns entworfen werden. Ihr Haus & Grund Anwalt bietet dabei gerne seine Unterstützung an!

    Fachanwalt Wolfgang Reineke