Zutritt zur Mietwohnung verweigert – fristlose Kündigung gerechtfertigt?

    Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 5.11.2021

    Die grundsätzliche Berechtigung zum Zutritt zu einer Mietwohnung gehört mit zu den elementaren Rechten des Vermieters. Sie unterliegt ja seinem Eigentum. Aber: das gilt natürlich nur für Ausnahmefälle, denn diesem Recht steht die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art.13 GG) entgegen, wenn sie legaler Weise von jemand anderem genutzt wird. Die Frage im Einzelfall ist immer nur: was ist ein Ausnahmefall? Das Amtsgericht Brandenburg hatte sich wieder einmal mit einer solchen Konstellation zu befassen.

    Der Fall

    Ein Vermieter hatte seit Juli 2020 wiederholt erfolglos versucht, Zutritt zur Wohnung eines Mieters zum Zwecke des Austauschs der Heizkostenverteiler sowie der erstmaligen Anbringung von Rauchwarnmeldern zu erhalten. Der Mieter hatte bei sämtlichen angekündigten Terminen den Zutritt zur Wohnung verweigert und auch auf mehrmalige Aufforderung des Vermieters keinen Termin abgestimmt. Daraufhin kündigte der Vermieter seinem Mieter fristlos, hilfsweise fristgemäß. Weil der Mieter nicht auszog, verklagte ihn der Vermieter auf Räumung der Mietwohnung.

    Kündigung zu Recht!

    Nach Auffassung des Amtsgerichts Brandenburg war die fristlose Kündigung zu Recht erfolgt. Denn die Pflichtverletzung des Mieters habe ein Ausmaß erreicht, welches nach einer Gesamtabwägung aller Umstände dem Vermieter die Fortführung des Mietvertrages unzumutbar habe i. S. d. § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB gemacht habe.

    Eingeschränktes Nutzungsrecht des Mieters

    Zwar habe ein Mieter ein ausschließliches Nutzungsrecht an der gemieteten Wohnung. Dieses Recht sei jedoch insoweit eingeschränkt, als eine Besichtigung und Beseitigung von Mängeln sowie ein gesetzlich zwingend vorgeschriebener Einbau von Zusatzgeräten – hier Rauchwarnmelder- die Nutzung der Mieträume auf gesetzlich vorgeschriebenem Standard gerade ermögliche und damit letztlich der Gewährung und der Sicherheit des Mietgebrauchs diene. Der Vermieter habe schon nach dem Grundgesetz ein Recht zum Betreten, wenn es dafür ein berechtigtes Interesse gibt. Dieses berechtigte Interesse ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass der Einbau der Rauchwarnmelder nach § 48 Abs.4 Brandenburger Bauordnung bis zum 31.12.2020 hätte erfolgen müssen. Nehme man zudem – so der Amtsrichter – die Schwere der drohenden Folgen einer unterlassenen Installation der Rauchwarnmelder in den Blick, sei die Fortsetzung des Mietverhältnisses auch unzumutbar, zumal der Einbau dem Schutz von Leib und Leben diene, was dazu führe, dass die Pflichtverletzung des Mieters besonders schwer wiege.

    Verweigere ein Mieter deshalb mehrfach die Installation von Rauchwarnmeldern in seiner Wohnung, darf ihm der Mietvertrag fristlos gekündigt werden (AG Brandenburg, Urteil v. 05.11.21, Az. 31 C 32/21).

    Das ganze Urteil ist hier zu lesen.

     

     

    Was sagt der Experte?

    Haus & Grund – Fachanwalt Wolfgang Reineke kommentiert weitere Fragen zum Thema:

     

    Der Zutritt zu einer Mietwohnung ist immer wieder ein häufiger Zankapfel zwischen den Mietparteien. Oft dreht es sich auch um bekannt gewordene angebliche Mängel, an deren alsbaldigen Beseitigung der Vermieter natürlich interessiert ist. Nicht selten kommt dann ein Hinweis des Mieters, dass er eine Besichtigung „nicht jetzt“ zulasse oder dass er eine bestimmte Person, die der Vermieter für die Besichtigung ernannt habe, nicht akzeptiere.

    Vermieter hat das Bestimmungsrecht

    Eine Besichtigung von angezeigten Mängeln muss nicht durch den Vermieter persönlich erfolgen. Er kann hiermit Dritte beauftragen, deren Auswahl grundsätzlich ihm zusteht. Das gilt auch für die Beurteilung der Geeignetheit der Besichtigungsperson. Selbst wenn diese keine Fachausbildung zur Beseitigung der Mängel hat, ist sie sowohl als Vertrauensperson als auch im Hinblick auf die ggf. erforderliche Beauftragung der Handwerker nicht von vornherein ungeeignet.

    Abmahnung zwingend erforderlich

    Im Fall des Amtsgerichts Brandenburg war von Seiten des Klägers zuvor auch mehrfach abgemahnt worden. Die Abmahnungen hatten Bezug genommen auf mehrere vom Kläger gegenüber dem Mieter erhobene Beanstandungen. Sie hatten stets den Hinweis enthalten, dass der Kläger die Verweigerung der Besichtigung der angezeigten Mängel für pflichtwidrig halte. Maßgeblich sei, dass der Kläger zu erkennen gegeben habe, dass sie sich die Auswahl der Besichtigungsperson nicht vorschreiben lassen wolle und dies in den Abmahnungen jeweils deutlich zum Ausdruck gebracht haben.

    „Corona“ spielt keine Rolle

    Schon vor der Corona-Pandemie kam es zwischen Mietern und Vermietern nicht selten zu Auseinandersetzungen über durch den Vermieter geltend gemachte Betretungs- und Besichtigungsrechte. Pandemiebedingte Kontaktbeschränkungen und Sorge vor einer Ansteckung ergaben hierzu weitere Argumente, die dem Begehren des Vermieters entgegengehalten wurden.

    Hierzu haben das Landgericht Hannover (Beschluss vom 01.02.2021, 20 T 3/21) und das Amtsgericht Ludwigshafen (Urteil vom 29.03.2021, 2i C 228/20) entschieden, dass auch während der Pandemie eine Wohnungsbesichtigung durch den Vermieter unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregelungen möglich ist.

    Veräußerungsabsicht ist Besichtigungsgrund

    Auch eine Veräußerungsabsicht des Vermieters stellt einen Fall dar, in dem ein Interesse des Vermieters an einer Besichtigung der Wohnung – z.B. mit Kaufinteressenten oder auch mit einem Gutachter zum Zweck der Wertermittlung – besteht. Auch in diesem Fall dürfte das Ergebnis einer Einzelfallentscheidung, die das Gericht vorzunehmen hat, in der Regel sein, dass eine Unzumutbarkeit des Besichtigungsbegehrens nicht gegeben ist und der Mieter die Besichtigung auch in Pandemie-Zeiten zu dulden hat.

     

    Weitere Vorgehensweise mit Haus & Grund Anwalt abstimmen:
    Entsteht Streit über ein Zutrittsrecht ist es für Laien kaum möglich, die Rechtslage zweifelsfrei einzuschätzen. Der erste Schritt sollte deshalb die Kontaktaufnahme zu dem Haus & Grund Fachanwalt sein. Er ist in der Lage, den Sachverhalt zu analysieren und die weiteren richtigen Maßnahmen einzuleiten.

     


    Weitere Entscheidungen zum Besichtigungsrecht:

    • LG Berlin, Urteil vom 02.06.2017, Az.: 63 S 316/16
    • LG Hannover, Beschluss vom 01.02.2021, Az.: 20 T 3/21
    • AG München, Beschluss vom 25.03.2020, Az.: 483 C 4847/20 EVWEG
    • AG Augsburg, Urteil vom 16.05.2018, Az.: 22 C 5317/17
    • AG Ludwigshafen, Urteil vom 29.03.2021, Az.: 2i C 228/20
    • BGH, Urteil vom 15.04.2015, Az.: VIII ZR 281/13
    • LG Berlin, Urteil vom 20.11.2020, Az.: 65 S 194/20
    • LG Berlin, Beschluss vom 18.02.2015, Az.: 65 S 527/14
    • LG Oldenburg, Urteil vom 03.08.2012, Az.: 6 S 75/12
    • AG München, Urteil vom 28.07.2020, Az.: 473 C 6285/20
    • LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 01.10.2015, Az.: 2-11 S 172/15
    • LG Berlin – Urteil vom 14. August 2013 – 65 S 327/12
    • AG Berlin Tempelhof-Kreuzberg – 12 C 192/11 + 20 C 440/11
    Fachanwalt Wolfgang Reineke